Aktuelles Recht

 

Aktuelles Recht

Vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft Artikel von Frau Dr. Schöfer-Liebl in der FamRZ (Fachzeitschrift für das gesamte Familienrecht), Ausgabe 20/2011, 15.10.2011.

 

Am 1.9.2009 trat die Neufassung der §§ 1384-1387 BGB1 in Kraft. Ziel war vorrangig, hierdurch den ausgleichsberechtigten Ehegatten künftigfrühzeitig und effektiv vor Vermögensminderungen, die im Ergebnis seine Ausgleichsforderung beeinträchtigen können, zu schützen.2 Nach § 1385 BGB kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte unter — im Vergleich zu § 1386 BGB a. F. — erleichterten Voraussetzungen direkt mit dem Leistungsantrag Zahlung des Zugewinnausgleichs verlangen, ohne dass die Zugewinngemeinschaft wie nach §§ 1385, 1386 BGB a. P. in einem vorausgegangenen Verfahren aufgehoben worden ist.3 Zugleich kann der Ausgleichsberechtigte Aufhebung der Zugewinngemeinschaft nach § 1385 BGB verlangen4 oder sich allein durch einen Gestaltungsantrag gemäß § 1386 BGB aus der Zugewinngemeinschaft lösen, ohne Leistungsklage erheben zu müssen. Im Gegenzug dazu gewährt der Gesetzgeber aus Gründen der „Waffengleichheit” beiden Ehegatten, auch dem ausgleichspflichtigen Ehegatten, nunmehr ausdrücklich die Erhebung der Gestaltungsklage in allen Fällen des§ 1385 BGB.5

 

I. Beispiel

Seit dieser Gesetzesänderung häufen sich nun die Fälle, in denen der Ausgleichspflichtige unter Berufung auf eine dreijährige Trennungszeit vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangt, obwohl bereits ein güterrechtliches Verfahren im Verbund rechtshängig ist, welches jedoch über eine dreijährige Trennungszeit hinaus andauert. Die Problematik darf an folgendemFall aus der Praxis dargestellt werden:

Der Ehemann hatte nach langjähriger Ehe im Jahr 2005 Scheidungsantrag gestellt; die Ehefrau verlangte im Wege desStufenantrags, Zugewinnausgleich und Nachehelichenunterhalt und brachte vor, dass der vor Eheschließung durch notarielleVereinbarung vereinbarte Güterstand der Gütertrennung sowie der vereinbarte wechselseitige, vollständige Verzicht auf Nachehelichenunterhalt unwirksam sei; sowohl das Erstgericht als auch das Zweitgericht traten dieser Rechtsauffassung bei; nach Auskunftserteilung durch den Ehemann bezifferte die Ehefrau im Jahr 2010 ihren Anspruch. Der zugewinnausgleichspflichtige Ehemann erhob sodann Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft gemäß § 1386 BGB; die Ehefrau befürchtet, den ihr voraussichtlich in vielen Monaten, möglicherweise auch mehreren Jahren zugesprochenen Anspruch auf Zugewinnausgleich nicht mehr vollstrecken zu können, da ihr mit der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft die ihr bis dahin zukommende Schutzwirkung des § 1365 BGB nicht mehr zugutekommt.

 

II. Vereinbarkeit von § 1386 BGB mit § 1365 BGB

Es stellt sich daher die Frage, ob ein vorzeitiges Aufhebungsverlangender Zugewinngemeinschaft durch den Ausgleichspflichtigen während eines rechtshängigen Scheidungsverfahrens mit der Verfügungsbeschränkung des § 1365 BGB im Einklang steht.

 

1. Auswirkungen der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft

Um zur Problematik der Vereinbarkeit des § 1386 BGB mit § 1365 BGB hinzuführen, muss zunächst veranschaulicht werden, welche Auswirkungen eine vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft trotz eines bereits rechtshängigen güterrechtlichen Verfahrens im Verbund hat.

 

a) Fälligkeit der Zugewinnausgleichsforderung

Durch vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft wird zunächst der Fälligkeitszeitpunkt für die Ausgleichsforderung vorverschoben.6 Gemäß § 1378 Abs. l BGB entsteht die Ausgleichsforderung mit Beendigung des Güterstands, d. h. in der Regel mit Rechtskraft der Scheidung. Wird jedoch neben dem Verbundverfahren die Zugewinngemeinschaft nach § 1385 BGB oder § 1386 BGB durch Beschluss vorzeitig, d. h. vor Beendigung des Verbundverfahrens aufgehoben, so tritt die Fälligkeit ab Rechtskraft dieses Beschlusses ein. Dies hat zur Folge, dass die Ausgleichsforderung nun beansprucht werden kann unddiese Forderung ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen ist. Dieser Umstand wirkt sich ausschließlich für den Ausgleichsberechtigten positiv aus. Für den Ausgleichspflichtigen hingegen hat dieser Umstand keine günstige Folge.

 

b) Stichtag

Hingegen führt die vorzeitige Aufhebung bei bereits bestehender Rechtshängigkeit eines Scheidungs- bzw. Scheidungsverbundverfahrens nicht zu einer Änderung des bereits durch die Zustellung des Scheidungsantrags gegebenen Stichtags gemäß § 1384 BGB. Dies bedeutet, dass es gemäß der Neufassung des § 1384 BGB sowohl hinsichtlich des Zeitpunkts der Berechnung des Zugewinns als auch für die Höhe der Ausgleichsforderung bei dem bisherigen Stichtag durch Zustellung des Scheidungsantrages verbleibt.7

 

c) Wegfall des Zustimmungserfordernisses

Neben der Vorverlegung der Fälligkeit der Zugewinnausgleichsforderung ist weitere Folge einer Vorverlegung des Zeitpunkts der Beendigung der Zugewinngemeinschaft der Wegfall des Zustimmungserfordernisses des § 1365 Abs. l BGB. Folglich hätte dann jeder Ehegatte die Möglichkeit, ohne Einwilligung des anderen Ehegatten über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. Der Wegfall der Verfügungsbeschränkung des § 1365 Abs. l BGB ist im Rahmen des Zugewinnausgleichs nur für den Ausgleichspflichtigen eine günstige Folge. Stellt der Ausgleichspflichtige daher gemäß § 1386 BGB während eines Scheidungs- bzw. Scheidungsverbundverfahrens den Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und wird diesem entsprochen, so kann er über sein Vermögen frei verfügen, obwohl noch keine Entscheidung über den Zugewinnausgleich erging. Zwar schützt der neu gefasste § 1384 BGB den Ausgleichsberechtigten vor einer Minderung seiner Ausgleichsforderung durch Verminderung des Vermögens des Ausgleichspflichtigen nach der Zustellung des Scheidungsantrages, jedoch trüge der Ausgleichsberechtigte im Falle des Wegfalls des Schutzes des § 1365 Abs. l BGB vor Ausspruch der ihm zustehenden Zugewinnausgleichsforderung das volle Vollstreckungsrisiko.

 

2. Schutzzweck des § 1365 BGB

Wird daher trotz rechtshängigem Scheidungs- bzw. Scheidungsverbundverfahren die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft durch den Ausgleichspflichtigen gemäß § 1386 BGB i. V. mit § 1385 Nr. l BGB begehrt, so wird § 1365 BGB und dessen Schutzzweck ausgehöhlt, wenn für die vorzeitige Aufhebung nur eine dreijährige Trennungszeit vorausgesetzt wird. Zwar gibt es in der Literatur8 Stimmen, die tatsächlich gemäß des Wortlauts allein eine dreijährige Trennungszeit für ausreichend halten, jedoch ohne bislang auf die Vereinbarkeit mit dem Schutzzweck des § 1365 BGB einzugehen.

 

§ 1365 BGB dient der Erhaltung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Familiengemeinschaft und soll den anderen Ehegatten vor der Gefährdung seiner Anwartschaft auf Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes schützen.9 Daraus folgt, dass der Schutzzweck während der Ehezeit, der Trennungszeit, bis hin zur Beendigung des Güterstandes, grundsätzlichbis zur Rechtskraft der Scheidung fortbestehen soll. Dieser Schutzzweck wird unterlaufen, wenn vor Ausspruch der dem Ausgleichsberechtigten zustehenden Zugewinnausgleichsforderung die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufgehoben wird. Die Aushöhlung des Schutzzweckes des § 1365 BGB kann aber vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. Um den Schutz zu wahren, ist vielmehr im Rahmen des § 1386 BGB i. V. mit § 1385 BGB unter entsprechender Berücksichtigung des Schutzzweckes des § 1365 BGB zusätzlich ein über den Wegfall der Verfügungsbeschränkung hinausgehendes, berechtigtes Interesse des Ausgleichspflichtigen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu verlangen. Dieses berechtigte Interesse ist aus den Ziffern l bis 4 des § 1385 BGB herzuleiten, welche gemäß § 1386 BGB entsprechende Anwendungfinden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass § 1385 BGB für den Ausgleichsberechtigten gilt. Die Ziffer l hat für den Ausgleichsberechtigten – wie bereits oben ausgeführt – den Vorteil, dass er spätestens nach drei Jahren den Ausgleich des Zugewinns verlangen kann. Hierdurch wird dem Ausgleichsberechtigten ermöglicht, frühzeitiger an seinen Zugewinnausgleich zu gelangen. Dies stellt das berechtigte Interesse des Ausgleichsberechtigten aneiner vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft dar. Im Gegenzug dazu kann der Ausgleichspflichtige, wie ebenso bereits dargestellt, kein Interesse an einer früheren Fälligkeit der Ausgleichsforderung haben. Ein berechtigtes Interesse ist auch in den Ziffern 2 bis 4 des § 1385 BGB gegeben. Das berechtigte Interesse für den ausgleichsberechtigten Ehegatten auf vorzeitige Aufhebung wird dadurch begründet, trotz illoyalen Verhaltens desAusgleichspflichtigen die geldwerte Position zu sichern. Hingegen kann zwar das Argument vertreten werden, dass der Ausgleichsberechtigte seinen Anspruch im Wege des Arrests sichern kann. Dies scheint jedoch wenig überzeugend zu sein. Gemäß § 917 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Erlaubt man daher die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft gemäß § 1386 BGB ohne ein berechtigtes Interesse und verweist den Ausgleichsberechtigten auf den Arrest, so würde dies bedeuten, dass der Ausgleichspflichtige rechtlich dazu legitimiert wäre, die Vollstreckung des Urteils zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren. Eine solche Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung eines Urteils ist vom Gesetzgeber sicherlich nicht gewollt. Für das Erfordernis eines berechtigten Interesses sprichtauch, dass Sinn und Zweck des § 1386 BGB nicht darin liegen, bereits im Verbund rechtshängig gemachte, güterrechtliche Verfahren zu verkürzen. Dauert ein güterrechtliches Verfahren über eine dreijährige Trennungszeit hinaus, so ist die Verfahrensdauer grundsätzlich auf die Schwierigkeit der Sache zurückzuführen. Der Ausgleichspflichtige muss dann die güterrechtliche Entscheidung im Verbund abwarten, es sei denn, er macht ein berechtigtes Interesse geltend, welches ein Abwarten einer Entscheidung im Verbund unzumutbar erscheinen lässt. Zur Überprüfung, ob eine solche Unzumutbarkeit vorliegt, steht dem Ausgleichspflichtigen, ebenso wie dem Ausgleichsberechtigten, jedoch bereits ein Abtrennungsantrag gemäß § 140 FamFG zur Verfügung. Diese ergänzende Gesetzesauslegung widerspricht nicht der Auffassung, dass der Tatbestand des § 1385 Nr. l BGB nicht durch Billigkeitsperspektive zu mildern ist10 und die bewusste Typisierung des Tatbestandes eine einzelfallbezogene Korrektur ausschließt.11 Das Erfordernis eines berechtigten Interesses stellt weder eine Korrektur aus Billigkeitsgründen noch eine Einzelfallkorrektur dar. Vielmehr geht es darum, den Schutzzweck des § 1365 BGB im Grundsatz zu wahren.

 

3. Vorzeitige Aufhebung nur Zug um Zug gegen Zahlung der Ausgleichsforderung

Selbst wenn der Auffassung gefolgt werden sollte, dass einberechtigtes Interesse keine Anspruchsvoraussetzung ist, so ist im Lichte des § 1365 BGB eine vorzeitige Aufhebung bei bereits rechtshängigem Scheidungs- bzw. Scheidungsverbundverfahren nur Zug um Zug gegen Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsforderung möglich. Daraus folgt, dass der Zugewinnausgleichsanspruch inzident im Rahmen des § 1386 BGB zu prüfen ist. Nur so kann erreicht werden, dass der Anspruch des Ausgleichsberechtigten und dessen Erfüllbarkeit gesichert wird, da der Ausgleichsberechtigte, der bereits im Verbund Antrag auf Zugewinnausgleich beantragt hat, sonst keine andere Möglichkeit hat, seine Rechtsposition zu schützen. Allerdings fehlt dem Ausgleichspflichtigen hierfür das Rechtsschutzbedürfnis, denn durch die inzidente Prüfung des Zugewinnausgleichsanspruchs gelangt er nicht schneller und nicht effektiver zu seinem Rechtsschutzziel als im bereits rechtshängigen Verbundverfahren. Zudem ist als weitere Folge der vorzeitigen Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft vor Scheidung der Ehe anzuführen, dass, da das güterrechtliche Zugewinnausgleichsverfahren nicht mehr für den Fall der Scheidung begehrt wird, dieses aus dem Scheidungsverbund herausfällt und als isoliertes Verfahren fortzuführen ist. Dies wird häufig zur Folge haben, dass, sofern die anderen Folgesachen, wie der Versorgungsausgleich und der Nachehelichenunterhalt, entscheidungsreif sind, die Scheidung zusammen mit den Entscheidungen über die Folgesachen auszusprechen ist. Der Antrag nach § 1386 BGB auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft kann somit ein Vorziehen der Entscheidung zum Nachehelichenunterhalt und eine frühere Beendigung der Regelung zum Trennungsunterhalt zur Folge haben. Dies ist eine Folge, die m. E. nach dem Willen des Gesetzgebers nicht Zweck des neugeschaffenen § 1386 BGB ist, sondern vielmehr den Vorschriften zur Abtrennung gemäß § 140 FamFG und dessen Voraussetzungen vorbehalten ist.

 

III. Fazit

Eine dreijährige Trennungszeit ist als alleinige Tatbestandsvoraussetzungfür einen Antrag des Ausgleichspflichtigen gemäß § 1386 BGB i. V. mit § 1385 Nr. l BGB entsprechend nicht ausreichend, wenn der Schutzzweck des § 1365 BGB gewahrt bleiben soll. Vielmehr ist ein berechtigtes Interesse, welches über den Wegfall der Verfügungsbeschränkung gemäß § 1365 BGB hinausgeht, notwendig. Damit sind für den Ausgleichspflichtigen solche Fälle Hauptanwendungsfälle des § 1386 BGB, bei denen noch kein Scheidungsverfahren rechtshängig ist. In solchen Fällen ergibt sich das berechtigte Interesse schon daraus, dass der Stichtag für die Berechnung des Endvermögens gemäß § 1375 Abs. l S. 1 BGB geändert werden kann12, da mangels Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrages § 1384 BGB keine Anwendung findet. Eine eventuell damit einhergehende Änderung der Ausgleichsforderungshöhe13 könnte sich hier zugunsten des Ausgleichspflichtigen auswirken. Dafür spricht auch, dass bei diesen Fällen § 140 FamFG nicht umgangen werden kann.

 


 

1 Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts v. 06.07.2009, BGBl 2009 I 1696

2 BT-Drucks. 16/10798, S 19.

3 MünchKomm/Koch, BGB, 5. Aufl., § 1386 Rz. 3.

4 Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 5. Aufl. Kap. 1 D 589,MünchKomm/Koch [Fn3], § 1386 Rz. 3

5 BT-Drucks. 16/10798, S. 20.

6 Vgl. v. Heintschel-Heinegg, in: Handbuch Fachanwalt Familienrecht, 8. Aufl., Kap. 9, Rz. 171

7 Vgl. v. Heintschel-Heinegg [Fn. 6], Kap. 9, Rz 171

8 Haußleiter, NJW Spezial 2010, 580, MünchKomm/Koch [Fn3], § 1386, Rz. 7

9 Palandt/Brudermüller BGB, 70. Aufl., § 1365 Rz. 1

10 MünchKomm/Koch [Fn3], § 1386, Rz. 12.

11 Staudinger/Rieble, BGB, Bearb. 2007, § 1385, Rz. 11

12 Vgl. v. Heintschel-Heinegg [Fn6[, Kap. 9, Rz. 171

13 Vgl. v. Heintschel-Heinegg [Fn 6], Kap. 9, Rz. 171


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Düsseldorfer Tabelle 01.01.2018: